Art der Erkrankung

In der Sprechstunde werden uns häufig Katzen vorgestellt mit dem Symptom „Harnmarkieren“ und „Unsauberkeit“. Für den Besitzer bedeutet dies meistens, dass die Katze an unpassenden Orten Harn oder Kot oder beides absetzt. Unsaubere Katzen können ihre Besitzer zur Verzweiflung bringen. Das neue Sofa wird vollgepinkelt, das Bett der Besitzer wird neu als Toilette benutzt, jede geputzte Stelle wird umgehend wieder angepinkelt… Oftmals sind die Besitzer so verzweifelt, dass sie sogar bereit sind, sich von ihrere Katze zu trennen.

Als Erstes muss immer abgeklärt werden, ob die Katze ein Unsauberkeitsproblem aus medizinischen Gründen aufweist oder ob es sich um ein Verhaltensproblem handelt. Dies ist nicht immer einfach und braucht gewisse medizinische Abklärungen und eine genaue Aufarbeitung der Vorgeschichte des „Harnmarkierens“. Erschwerend ist der Umstand, dass sich organische und psychische Erkrankungen gegenseitig beeinflussen können und das Endresultat „Unsauberkeit“ erst durch die Behandlung beider Problemkreise behoben werden kann. Erst wenn ein medizinisches Problem durch unsere Untersuchungen (klinische Untersuchung, Labortests Blut/Harn, allenfalls Röntgen des Bauches oder Ultraschall von Blase und Nieren) ausgeschlossen worden ist, sprechen wir von einer verhaltensbedingten Unsauberkeit respektive einem Markierverhalten. Aber auch das kann aus verschiedenen Gründen zu Stande kommen: Angst, Stress, Territorialverhalten, neues Familienmitglied (Baby, neue Katze, neuer Hund) usw.

Zur genaueren Untersuchung einer verhaltensbedingten Unsauberkeit gehört eine genaue Analyse des Umfeldes der Katze: Genaue Wohnsituation, „Mitbewohner“, Art der Unsauberkeit (kleine Menge/grosse Menge, Harnabsatz auf vertikale Fläche oder an horizontale Stellen), Zusammenhang zu Ereignissen, Entwicklung der Unsauberkeit, usw.

Die Ursachen

Verhaltensbedingt

Bei unkastrierten Katern (oder selten auch bei rolligen Kätzinnen) gehört Harnmarkieren zum normalen Revierverhalten. Nach einer Kastration verschwindet das Markierverhalten normalerweise. In seltenen Fällen können spät kastrierte Kater dieses Verhalten jedoch lebenslang beibehalten.

Jede Veränderung im Lebensumfeld oder im Tagesablauf einer Katze kann Stress bedeuten und  Angst auslösen und so zu Unsauberkeit führen. In dieser Situation ist die Unsauberkeit ein Kommunikationsmittel; ein Hinweis (oder „Hilferuf“), dass sich die Katze im „System“ nicht mehr wohlfühlt. Auslöser für eine Verhaltensveränderung der Katze sind vielfältig: Eine zusätzliche neue Person im Haushalt, einen neue Katze, andere/neue Möbel, andere Katzenstreu usw. Auch eine neue Katze in der Umgebung/Nachbarschaft kann ein Markierverhalten auslösen. So wird aus Angst und Unsicherheit das eigene Revier zur Kennzeichnung gegenüber „Eindringlingen“ markiert.

In Mehrkatzenhaushalten kommt es oft vor, dass einzelne Katzen ein bereits benutztes Katzenklo nicht mehr aufsuchen mögen, oder dass sie sich plötzlich entscheiden, ihren Kot nicht mehr ins gleiche Kistli abzusetzen wie ihren Harn. Art und Anzahl Katzenkistli und deren Einstreu spielen eine wichtige Rolle zur Kontrolle eines unerwünschten Harnmarkierens im Haus.

 

Erkrankungen

Auch Organerkrankungen können zu einer Unsauberkeit führen. Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)  und Nierenerkrankungen führen zu einer erhöhten Trinkmenge und damit zu einer erhöhtren Harnmenge mit verdünntem Urin. Erkrankungen des Gehirns und altersbedingte „Senilität“/Demenz können zu einem veränderten Eliminationsverhalten führen. Schmerzen im Bewegungsapperat sind oft der Auslöser für Unsauberkeit bei älteren Katzen: Bedingt durch einen hohen Rand des Katzenklos oder enge Raumverhältnisse (mühsames Wenden in der engen Kiste) bei einem gedeckten Kistli vermeidet die Katze den schmerzhaften Gang zur Toilette und eliminiert andernorts.

Die häufigste Ursache von Unsauberkeit ist eine Entzündung der unteren Harnwege. Bei Katzen sind diese Entzündungen im Gegensatz zum Menschen meistens nicht durch eine bakterielle Infektion bedingt; oft können solche Blasenentzündungen durch Stresssituationen ausgelöst werden. Auch Blasensteine können zu wiederholten schmerzhaften Blasenentzündungen führen mit verändertem Harnabsatzverhalten und blutigem Urin. Übergewichtige Katzen leiden häufiger an Harnwegsproblemen als normalgewichtige Tiere.

Wichtig: Psychische und organische Erkrankungen können sich gegenseitig beeinflussen und die Symptome „Unsauberkeit“ und „Harnmarkieren“ verstärken!

Die Symptome

Die Symptome variieren entsprechend der Ursache der Harnabsatzstörung. Harnabsatzmenge und Harnabsatzfrequenz sind die für Besitzer am einfachsten zu kontrollierenden Grössen. Auch der Ort des Harnabsatzes kann einen Hinweis auf das zu Grunde liegende Problem geben.

  • Absatz grosser Harnmenge ins Kistli -> Hinweis auf vermehrtes Trinken. Mögliche Ursache: Diabetes mellitus oder chronische Nierenerkrankung.
  • Absatz kleiner Harnmengen ins Kistli -> Hinweis auf Blasenentzündung oder Harnwegsobstruktion
  • Absatz von blutigem Harn -> Hinweis auf Blasenentzündung/Blasensteine
  • Absatz von kleiner Harnmenge an vertikale Fläche -> Markierverhalten aus Stress/Angst am wahrscheinlichsten
  • Absatz von kleiner bis grosser Harnmenge auf horizontale Fläche -> Unsauberkeitsproblem, medizinisch contra Verhalten?
  • Schmerzäusserung beim Harnabsatz
  • Unsauberkeit

Eine Blasenentzündung kann beispielsweise mit folgenden Symptomen einhergehen: Häufiger Absatz von kleinen Urinmengen, teilweise blutiger Urin. Schmerzäusserung beim Harnabsatz, Unsauberkeit, reduzierter Allgemeinzustand. Oft putzen und lecken sich die Katzen verstärkt im Genitalbereich.

Eine durch einen abgehenden Blasenstein verstopfte Harnröhre kann sich so äussern: Kein Harnabsatz oder nur einzelen Tropfen trotz häufigem Versuch im Kistli, pralle grosse Blase, Bauchschmerzen, reduziertes Allgemeinbefinden. Eine blockierte Harnröhre kann zum Tod des Tieres innert 24 Stunden führen. Eine Harnwegsobstruktion löst riesige Veränderungen im Körpergleichgewicht aus und „vergiftet“ das Tier. Dies ist immer ein Notfall! Durch Deblockieren der Harnröhre, Infusionen und mittels eines Blasenkatheters über 1 bis mehrere Tage wird der Allgemeinzustand stabilisiert

Jegliche Veränderung des Harnabsatzverhaltens der Katze sollte vom Besitzer mit dem Tierarzt besprochen werden. Gewisse Symptome weisen auf eine schwerwiegende Erkrankung hin und sollten unbedingt weiter abgeklärt werden. Auch wenn es sich „nur“ um ein Verhaltensproblem handeln sollte: Je eher der Katze geholfen werden kann desto grösser ist die Chance, dass die Unsauberkeit/Harnabsatzstörung wieder komplett zum Verschwinden gebracht werden kann mit entsprechenden Therapien.

Die Diagnose

Neben einer gründlichen Allgemeinuntersuchung können weiterführende Untersuchungen vorgenommen werden. Mittels einer Blutanalyse kann die Funktionsfähigkeit wichtiger Organe wie Leber und Nieren kontrolliert werden. Beim Verdacht einer Blasenentzündung hilft auch die Untersuchung des Urins weiter (Zucker, Eiweiss, Bakterien,…). Zu diesem Zweck wird mittels einer Nadel eine Punktion der Blase (am wachen Tier) vorgenommen. Weitere Untersuchungen sind : Röntgenbild des Bauches (zeigt allfällige Verkalkungen in den Nieren, den Harnleitern oder der Blase) oder Ultraschall des Urogentialtraktes, welcher die detailliertesten Informationen gibt.

Die Behandlung & Therapie

Organische Erkrankungen werden als erstes direkt medizinisch therapiert und die auslösenden Faktoren einer Harnabsatzstörung korrigiert mit dem Ziel, den Harnabsatz wieder zu normalisieren (Menge reduzieren, Blasensteine entfernen, verlegte Harnröhre deblockieren, Entzündungen und schmerzhafte Zustände reduzieren, usw.)

Als Begleittherapie bei allen medizinisch verursachten „Unsauberkeitsproblemen“ und bei den Verhaltensfällen empfehlen wir immer Folgendes:

  • Anzahl Katzenkistli im Haus/in der Wohnung: Anzahl Katzen +1. Die Katzenkistli sollten über den Wohn-/Lebensbereich der Katze „strategisch“ verteilt werden (nicht ale Kistli in einem Raum), um etwas ängstlicheren Katzen einen unbeschwerten freien Zugang zum Katzenklo zu gewährleisten. Bitte geschlossenen und unbedeckte Kistli gemischt verwenden und auf die Randhöhe der Kistli achten (v.a. bei Katzen mit schmerzhaften Problemen am Bewegungsapperat). Selbstverständlich muss speziell auf die Sauberkeit des Kistli geachtet werden, allenfalls anfangs Kistli mehrmals täglich kontrollieren und nach jeder Benutzung reinigen.
  • Katzenstreu: Tiefe und Art der Katzenstreu beachten. Manche Katzen bevorzugen gewisse Substrate und boykottieren andere (Sand, klumpend, feinkörnig, Granulat, Holzpellets). Auch die Menge verwendeter Streu kann einen Einfluss auf das Harnabsatzverhalten der Katze haben.  Am Besten füllen Sie das Katzenkistli fingertief (6-8 cm) mit Substrat/Streu, um der Katze den natürlichen Ablauf des Eliminationsverhaltens mit Loch scharren, eliminieren und zudecken zu erlauben.
  • Reinigung von Urinflecken kann die Unsauberkeit oder das Harnabsatzverhalten der Katze massgebend beeinflussen. Verwenden Sie zur Reinigung Essigwasser und keine kommerziellen, parfümierten Reinigungsmittel oder Javelwasser. Letztere können durch ihre Inhaltsstoffe die Katze direkt zum Übermarkieren der gereinigten Stelle stimulieren und so eine Verschlimmerung der Situation provozieren.
  • Stressreduktion: Es existieren mittlerweile mehrere hilfreiche Produkte zur Stressreduktion. Neben pflanzlichen Produkten (z.B. Baldrian, in Spray- oder Verdampferform als PetRemedy) gibt es zentral wirkende Hilfsstoffe, welche über das Futter gegeben werden können (Zylkene). Auch Pheromone (= spezielle Duftstoffe, welche natürlicherweise von den Katzen selbst produziert werden) werden erfolgreich bei Stress und Angstzuständen angewendet. Pheromone werden mittels Spray oder Verdampfer in der Umgebung der Katze eingesetzt (z. B. Feliway) und sind für uns Menschen geruchsneutral.
  • Angstzustände: In schweren Fällen von Unsauberkeit, bedingt durch Ansgtzustände, können auch Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Diese haben immer zum Ziel, dass die Katze dank Medikamenten wieder auf ein „Lernniveau“ kommt und für eine Verhaltenstherapie zugänglich wird. Die Katze lernt dementsprechend, sich an eine Situation gewöhnen oder sie lernt damit umzugehen. Im besten Fall entwickelt sie Strategien, wie sie die Situation zukünftig besser handeln kann.

Haben Sie noch Fragen? Zögern Sie nicht und kontaktieren Sie uns; wir beraten Sie gerne!

Geschrieben von

Anna Geissbühler Philipp

Dr. med. vet. FVH für Kleintiermedizin
Dipl. Verhaltenstierärztin STVV

Anna Geissbühler Philipp ist seit 1991 Diplomierte Tierärztin im Kleintierbereich. Eröffnung der eigenen Praxis 1998. Durch ihre langjährige Erfahrung im Bereich Kleintiermedizin und laufenden Weiter- und Fortbildungen, vor allem in den Bereichen der Inneren Medizin, verfügt sie über ein grosses Know-How und Wissen. Dieses gibt sie aktiv an ihre Mitarbeiterinnen und Auszubildenden weiter. Zusätzlich hat sich Anna Geissbühler Philipp im Bereich der Verhaltsmedizin weitergebildet und 2006 mit Diplom zur Verhaltenstierärztin abgeschlossen.

Geschrieben von

Vanessa Gandoy

med. vet.

Vaneassa Gandoy hat ihr Studium zur Tierärztin im Dezember 2015 in Bern abgeschlossen. Von Januar bis März 2016 hat sie in der Kleintierpraxis im Moos als Tierarztvertreterin gearbeitet. Ab April 2016 ist sie in der Kleintierpraxis im Moos fest angestellt und begann die FVH-Ausbildung.
Als SKG-diplomierte Welpenspielstunde- und Agilitylehrerin ist Vanessa Gandoy während ihrer Freizeit im Bereich der Hundeerziehung aktiv.